(Ein Bericht aus der NZZ vom 26. Oktober 2017)
Auch Hobbysportler greifen zu Nahrungsergänzungsmitteln. Die Produktvielfalt ist gross. Eine Übersicht, was sinnvoll ist – und was gar nichts bringt.
Wer einmal in einem Fitnesscenter war, der kennt es, dieses Regal gleich neben dem Empfang voller Dosen, Päckchen und Riegel. Es ist leicht, den Überblick zu verlieren. Joëlle Flück, Ernährungswissenschafterin am Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil, sagt: «Heute greifen viele zu früh zu solchen Nahrungsergänzungen, vor allem im Fitnessbereich.» Was hilft wirklich? Flück erklärt Sportnahrung und die gängigsten Supplemente.
Protein-Shakes: «Die Protein-Shakes sollen den Muskelaufbau anregen, sie funktionieren nur im Zusammenhang mit intensivem Krafttraining. Der Muskel wird stimuliert, und der Shake liefert kurz nach dem Training die benötigte Protein-Zufuhr, so soll sich der Muskel aufbauen und auch regenerieren. Der Protein-Shake ist ein einfacher Ersatz für Proteinquellen in der Nahrung, wie sie in Fleisch oder Milchprodukten vorkommen. Er ist praktisch. Aber viele machen es sich zu einfach mit diesen Shakes. Wer zwei, drei Krafttrainings pro Woche absolviert, sollte sich zuerst fragen: Kann ich meine Ernährung optimieren und proteinreicher gestalten? Esse ich genügend Proteine in den ersten ein bis zwei Stunden nach dem Krafttraining? Erst wenn dies der Fall ist, kann man ab und zu zum Shake greifen.»
Kohlenhydrat-Gels und -Riegel: «Wer sehr lange Ausdauereinheiten absolviert, auf dem Velo oder beim Laufen, braucht viel Energie. Die kommt entweder aus den körpereigenen Reserven oder über externe Kohlenhydrate. Für ambitionierte Ausdauersportler ergeben Gels oder Riegel Sinn. Wer aber nur eine Stunde joggen geht, benötigt keine zusätzliche Energie. Ich glaube, der durchschnittliche Hobbyläufer braucht diese Kohlenhydrat-Gels und -Riegel nicht. Zumal sie zusätzliche Kalorien enthalten und die Fettverbrennung unterdrücken, was oft unterschätzt wird. Wer sehr lange Einheiten absolviert und solche Gels und Riegel benötigt, sollte beim Kauf gut auf die Inhaltsstoffe achten: Will ich alles, was da drin ist? Manche Produkte enthalten Koffein, die eignen sich weniger für den Abend.»
Fat-Burner: «Es gibt viele Supplemente auf dem Markt, welche die Fettverbrennung anregen sollen. Das populärste ist L-Carnitin. Ob es wirkt, ist umstritten. Es gibt einige Studien, die einen Effekt zeigen, aber ich würde ihn nicht als wissenschaftlich fundiert bezeichnen. Viele Studien haben keine Wirkung gefunden. Ein weiteres Mittel ist Grüntee-Extrakt, aber auch hier gibt es wenig wissenschaftliche Evidenz für eine Wirkung. Verkauft werden diese Supplemente trotzdem. Die Leute suchen nach einem Wundermittel, das Fett verbrennt, ohne dass sie viel dafür tun müssen. Aber es hilft vor allem Sport und die richtige Ernährung.»
Sportgetränke: «Wie die Riegel und Gels sind sie meist Kohlenhydrat-basiert, sie werden während längerer Ausdauerbelastungen konsumiert. Aber auch hier gilt: Hobbysportler nehmen eher zu früh ein Sportgetränk zu sich. Man braucht erst bei einem hohen Pensum zusätzliche Energie. Wer dieses Pensum erreicht, sollte beim Sportgetränk besonders auf die Verträglichkeit achten: Man sollte das Getränk gut vertragen und gerne trinken, auch bei hohen Belastungen.»
Magnesium: «Viele denken, dass Magnesium im Sport Krämpfe verhindere. Aber wissenschaftlich ist das nie bewiesen worden, auch weil es schwierig ist, ein gutes Studiendesign zu konzipieren. Dennoch wird überall Magnesium verkauft: Die Hersteller bieten es an, weil es die Konsumenten wollen. Und die Konsumenten denken, dass es hilft, weil es die Hersteller verkaufen.»
Kreatin: «Es gibt viele Studien, die den positiven Effekt von Kreatin zeigen. Es kann gerade in hochintensiven Kraftsportarten die Leistung verbessern: Bei diesen Belastungen brauchen die Muskelzellen Kreatin-Phosphat, durch externe Zufuhr werden die Depots grösser. Trotzdem ist Kreatin für Hobbysportler wenig sinnvoll. Wieder gilt: Wer zwei- bis dreimal pro Woche in den Kraftraum geht, sollte zuerst die Ernährung optimieren. Erst wenn diese trotz intensivem Trainingsreiz nicht zum gewünschten Muskelaufbau führt, wird Kreatin eine Option.»
BCAA: «Das ist eine Abkürzung für Branched-Chain Amino Acid, also verzweigtkettige Aminosäuren. Diese zusätzlich aufgenommenen Aminosäuren sollen Muskelschäden verringern und den Muskelaufbau fördern. Aber ich würde dieses Supplement nicht empfehlen. Es gibt aus wissenschaftlicher Sicht zu wenig Beweise, dass es einen zusätzlichen Effekt hat, wenn die Proteinaufnahme bereits optimiert wurde.»
Vorsicht bei ausländischen Anbietern
Fast in jeder Stadt gibt es Shops, die auf Sportnahrung und Supplemente spezialisiert sind. Dort finden sich Dosen, die sich bis zur Decke türmen, die Etiketten grell und voller Versprechen. Beim Kauf ist Vorsicht geboten. Der Markt ist gross, und es kursieren Produkte unterschiedlicher Qualität.
«Die Leute sind zu wenig darüber aufgeklärt, dass viele dieser Nahrungsergänzungen Verunreinigungen enthalten können, also Stoffe, die man nicht im Körper haben will», sagt die Ernährungswissenschafterin Joëlle Flück. Sie empfiehlt, beim Kauf darauf zu achten, dass das Produkt von einem Schweizer Hersteller kommt. Am besten von einem grossen, einem, der seine Produkte und die Produktion immer wieder kontrolliert und auch ein Anti-Doping-Programm hat.
Gerade bei Supplementen aus dem Ausland sei oft nicht ganz klar, wo sie hergestellt würden. «Es besteht eine grosse Wahrscheinlichkeit, dass sie verunreinigt sind», sagt Flück, sie könnten beispielsweise Spuren von Steroiden enthalten. «Oder der Produzent stellt am gleichen Ort Medikamente her, und die Inhaltsstoffe landen auch im Pulver», sagt Flück. Lieber bezahle man ein bisschen mehr. Sei ein Produkt besonders günstig, sei es verdächtig. Unklug sei es auch, sich einfach ein Produkt im Internet zu bestellen, da man dort noch weniger Übersicht über die tatsächlichen Inhaltsstoffe habe.
Besonders aufpassen sollte man bei Fat-Burnern. Hier kursieren allerlei Produkte, auch solche, die beispielsweise Ephedrin enthalten, das die Ausschüttung von Stresshormonen stimuliert. Davon sollte man die Finger lassen, sagt Flück. Generell empfiehlt sie vor dem Griff zu Supplementen ein Gespräch mit einer Fachperson. Diese kann abklären, was es braucht: Abhängig von den Zielen und der Höhe des Trainingsaufwands des Hobbysportlers können Nahrungsergänzungen sinnvoll sein.
Oft würde jedoch im Fitnesscenter einfach zum Probetraining noch eine Stunde Ernährungsberatung angeboten, moniert Flück: «Dann sagt ein Trainer: ‹Das Produkt funktioniert für mich, probier es doch auch.› Ohne abzuklären, ob es dem Neumitglied tatsächlich hilft, seine Ziele zu erreichen.» Flück ist überzeugt: Die allermeisten Hobbysportler brauchen eigentlich keine Supplemente oder Sportnahrung.